Dash Buttons, Dystopien und Datensilos | Haben wir bald alle eine Standleitung zur Krankenkasse?

Von Dash Buttons, Dystopien und Datensilos

Montag ist Kolumnentag. An dieser Stelle gibt es im contentIQ-Blog nicht jeden Montag, aber immer montags laut gedachte Gedanken rund um Web, IT, eCommerce oder digitale Bildung. #digitalnotizen
Im Laufschritt zum willigen Datenspender?

Kennt ihr diese Artikel, die euch den Glauben an die Menschheit verlieren lassen? Zugegeben, in letzter Zeit gab es viel zu viele davon – Trump, Brexit, Le Pen, AfD & Co. lassen grüßen. Aber lässt man die politische Berichterstattung mal hinter sich, werden sie immerhin seltener – oder? Beim Durchscrollen durch meinen täglichen Job-Nachrichtenfeed zu eCommerce, Web und digitaler Bildung passiert mir es zumindest nicht so oft, dass mich ein Artikel ungläubig kopfschüttelnd hinterlässt. Aber es kommt vor. Zuletzt bei diesem hier.

Damit ihr den Artikel nicht zur Gänze lesen müsst: Ingo Notthoff beschwert sich darin, seine Fitness-Tracker seien ja überhaupt nicht sinnvoll nutzbar, solange die damit erfassten Daten nicht direkt an die Krankenkasse weitergeleitet werden. So in etwa.

Ich sehe ja ein, dass man Wearables eine gewisse Faszination nicht absprechen kann. Dass man beispielsweise als passionierter Jogger großen Spaß daran findet, die gelaufenen Strecken tracken und die dabei verbrauchten Kalorien gleich mit im Blick halten zu können. Brauch ich persönlich nicht, aber macht ja nichts. Die anderen dürfen gerne ihren Spaß damit haben, kein Problem. Allerdings hört der Spaß bei mir auf, wenn wir uns damit zu sehr in Richtung 1984 und The Circle bewegen. Dystopien sind spannend zu lesen – leben möchte ich sie nicht so gerne. Und eine Gesellschaft, in der der Krankenkassentarif – und konsequenterweise dann irgendwann auch die Aufnahme in eine solche – von der Anzahl der gelaufenen Kilometer pro Tag abhängt und mein Arzt sofort informiert wird, wenn ich eine Tüte Chips und eine Tafel Schokolade kaufe, ist für mich KEIN wünschenswertes Szenario. Nein. Wirklich nicht.

Dystopien sind spannend zu lesen – leben möchte ich sie nicht so gerne. Klick um zu Tweeten

Das Internet of Things (IoT) ist eine faszinierende Erfindung, keine Frage. Ob man Dash Buttons, Smart Watches und selbstbestellende Kühlschränke nun wirklich braucht oder nicht – die Möglichkeiten, die sie aufzeigen, lassen das kreative Herz so manches Produktdesigners schneller schlagen, und das sicherlich zu Recht. Und sie haben garantiert das Potenzial, uns das Leben hier und da noch leichter zu machen. Doch diese Bequemlichkeit hat ihren Preis. Und der erscheint mir in letzter Zeit zu hoch. Oder ist es der Grad an Bequemlichkeit, der einfach zu hoch wird?

Dash Buttons, Dystopien und Datensilos | Haben wir bald alle eine Standleitung zur Krankenkasse?

Wollen wir unsere persönlichen Daten tatsächlich dauerstreamen? | Foto: Unsplash

Wir bezahlen diese Bequemlichkeit mit vielem. Mit schlechterer Gesundheit, weil wir uns zu wenig bewegen (außer mit Fitnesstracker) – oder auch weil wir uns nur noch von Junk und Convenience Food ernähren. Mit einer am Rande des Kollaps stehenden Umwelt, weil wir immer schneller immer mehr Neues haben wollen und die Natur so viel einfach nicht hergibt. Und, unter anderem, mit unseren Daten. Letzteres mag ok sein, solange wir das freiwillig tun. Solange ich – zumindest in der Theorie, aber dazu komme ich in den nächsten Digitalnotizen nochmal – die Wahl habe, ob ich dabei mitmache oder nicht. Schwierig wird es, wenn diese Prozesse so starke Kraft entfalten, dass sie das System verändern. Wenn Bequemlichkeits-Riesen wie Google, Facebook und Amazon beispielsweise eine solche Monopolstellung entwickeln, dass man bestimmte Produkte oder Services nirgendwo anders mehr bekommt. Oder eben wenn Krankenkassen ohne getracktes Fitnessprofil gar keine Kunden mehr aufnehmen.

Bequemlichkeit um jeden Preis? #IoT Klick um zu Tweeten

Vor allem aber ist das Internet of Things noch eines: Unausgegoren. „Was das Internet der Dinge angeht, stehen wir noch ziemlich am Anfang“, schreibt Notthoff in seinem Fazit, und zum ersten Mal bin ich geneigt, ihm zu 100 % zuzustimmen. Allerdings aus anderen Gründen. Denn die nächsten Baustellen sehe ich weniger in der nahtlosen Verdrahtung und Verknüpfung verschiedener „Datensilos“, sondern zunächst mal im Schutz der Daten, die heute schon erhoben werden. Die Risiken dieser neuen verdrahteten Welt in den Griff zu bekommen, halte ich für deutlich wichtiger, als sie immer weiter zu verdrahten. Denn irgendwann wird alles so eng miteinander verwoben sein, dass man es auch beim besten Willen nicht mehr entknotet bekommt.

Erst Risiken bewältigen, dann weiter verdrahten. #IoT Klick um zu Tweeten

Noch schlimmer als ein Tracking meiner Fitnessbemühungen durch die Krankenkasse wäre nämlich die freie Verfügbarkeit meiner Gesundheitsdaten für jedermann, weil Daten unverschlüsselt übertragen und ungeschützt gespeichert werden. Solange weder Hersteller noch Nutzer wirklich begreifen, dass auch SmartWatches, Babyphone und KFZ-Steuereinheiten sicher vor unbefugten Zugriffen geschützt werden müssen, solange steckt das Internet of Things noch so tief in den Kinderschuhen, dass man es besser nicht alleine auf die Straße schicken sollte. Wer weiß schon, was passiert, wenn es dort mit selbstfahrenden Autos oder Drohnen in Kontakt gerät. Oder, wenn die überhaupt noch aus dem Haus gehen, mit echten Menschen.

KF/ciq

Weitere Links zum Thema:

26.04.2017 | Sicherheit ist die Achillesferse des Internet of Things

27.04.2017 | Verbraucherzentrale mahnt 9 Anbieter von Fitness-Wearables ab

Dr. Katja Flinzner
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