Bleibt alles anders

Soviel zur Harmonisierung. Heute in einer Woche, am 13. Juni 2014, tritt in Deutschland und vielen anderen EU-Staaten die neue Verbraucherrechterichtlinie in Kraft. Deren grundlegendes Ziel ist es, europaweit die Rechtsbedingungen für den Online-Handel zu vereinheitlichen. Eine gemeinsame, überall gleiche Widerrufsfrist sowie einheitliche Regelungen zu Informationspflichten und Rücksendekosten stehen im Zentrum der zahlreichen Änderungen.

Doch gleiche rechtliche Regelungen bedeuten noch lange nicht, dass für Händler und Verbraucher in den unterschiedlichen Ländern de facto auch die gleichen Voraussetzungen herrschen. Das lässt sich derzeit am Beispiel der Rücksendekosten beobachten.

In Deutschland gab es – als einzigem europäischem Land – bislang die sogenannte „40-EUR-Klausel“. Nach dieser Klausel mussten Händler nach einem Widerruf bei Rücksendungen von Waren mit einem Wert von mindestens 40 EUR nicht nur die Hin-, sondern auch die Rücksendekosten tragen. Diese Regelung ist mit der Umsetzung der neuen Verbraucherrechterichtlinie gekippt. Nur: Die Kunden haben sich an den Rundum-Sorglos-und-Kostenfrei-Einkaufsservice dermaßen gewöhnt, dass viele Händler auch nach dem 13. Juni 2014 an den kostenlosen Retouren festhalten möchten.

Vorreiter für diese zwar sehr kundenfreundliche, aber für Händler nicht ganz unproblematische Entwicklung sind große Anbieter wie amazon, Zalando oder auch Otto, die inzwischen angekündigt haben, dass sie ihre kostenfreie Retourenpolitik auch nach den Änderungen weiter aufrechterhalten möchten. Wenn der kostenlose Rückversand damit zum Wettbewerbsvorteil wird, wundert es nicht, dass die Anzahl der Händler, die auch nach Wegfall der Verpflichtung die Kosten für Retouren freiwilllig weiter selber tragen wollen, immer mehr steigt.

Deutschland, das Rücksendeland

Die Deutschen sind Weltmeister im Rücksenden von online bestellten Waren. Nirgendwo sonst in Europa liegen die Retourenquoten so hoch – was zu großen Teilen auch an den bislang rechtlich verbindlichen kostenlosen Rücksendemöglichkeiten liegt. Die neue Verbraucherrechterichtlinie wäre eine Chance gewesen, dies zu ändern und einen langsamen Mentalitätswechsel einzuleiten. Wenn die Händler allerdings aus Kundenbindungsgründen bei der kostenlosen Retourenpolitik bleiben, ändern sich zwar die juristischen, nicht aber die faktischen Voraussetzungen und Deutschland wird seine Sonderrolle im europäischen eCommerce weiterhin behalten.

Was bedeutet das für den grenzüberschreitenden Online-Handel?
Für europäische Online-Händler, die ihre Waren nach Deutschland verkaufen möchten, bedeutet der Umgang mit den Retourenkosten eine deutliche Umstellung im Vergleich zu ihrem nationalen Geschäft. Natürlich ist es für sie möglich, auch ihre deutschen Kunden die Retourenkosten übernehmen zu lassen, 75% der deutschen Shops planen das ja derzeit auch. Sie müssen damit aber bewusst einen Wettbewerbsnachteil in Kauf nehmen, der in dieser Form in ihrem Markt nicht besteht. Dazu kommt, dass ihre faktischen Kosten für den grenzüberschreitenden Versand ohnehin höher sind als die nationaler Händler. Wenn sie diese Mehrkosten selbst übernehmen, steigt ihr Risiko, wenn sie sie auf den Kunden abwälzen, wächst der Wettbewerbsnachteil. Einige Händler dürften sich darauf gefreut haben, dass dieses Wettbewerbsgefälle in Zukunft wegfällt – davon ist bei der aktuellen Entwicklung aber wohl nicht auszugehen.

Der deutsche Markt dürfte also für Händler von außerhalb ein schwieriger Markt bleiben. Ein Nebeneffekt, der die deutschen Händler wiederum freuen dürfte, denen dadurch der ein oder andere Wettbewerber erspart bleiben könnte. Für einen harmonisierten europäischen Binnenmarkt ist das aber ein nicht zu vernachlässigender Hemmschuh. Und für Händler aus dem Ausland mit Internationalisierungsbestrebungen Richtung Deutschland ein Faktor, den es also auch in Zukunft zu berücksichtigen gilt.

KF/msh

Dr. Katja Flinzner
2 Kommentare
  1. Rosiak, Ina
    Rosiak, Ina sagte:

    Hallo Frau Flinzner,
    wir sollen für ein Studienprojekt eine Präsentation über Zalando halten. Nun sind aber keine Zahlen über Marktanteile zu finden. Sie sind Profi auf dem Gebiet. Würden Sie sich zutrauen Marktanteile zu schätzen? Wir dürfen Schätzungen verwenden wenn wir keine echten Zahlen finden.
    Uns interessieren vor allem Bereiche wie Skandinavien und Großbritannien. Außerdem wollen wir eine Expansion nach Kanada vorschlagen. Nicht zuletzt auch wegen dem Know-How von OTTP über den kanadischen Markt. Andere internationale Märkte außerhalb von Europa machen vermutlich keinen Sinn?
    Ich würde mich sehr über eine Rückmeldung/Einschätzung freuen. Sie würden uns wirklich sehr helfen!!!
    Vielen Dank im Voraus.
    Herzliche Grüße,
    Ina Rosiak

    Antworten
    • Dr. Katja Flinzner
      Dr. Katja Flinzner sagte:

      Hallo Frau Rosiak,

      Forbes zufolge (http://www.forbes.com/sites/ryanmac/2014/07/30/zalando-europe-zappos-fashion/) bewegt sich Zalando in Deutschland aktuell auf einen Markanteil von 10% zu (2013 waren es laut Aussage von Zalando noch 4%). Da der deutsche Markt den Forbes-Schätzungen entsprechend ca. 45% des Zalando-Geschäfts ausmacht, dürften die Umsätze und auch die Marktanteile in anderen Ländern deutlich geringer ausfallen. Das sind die Zahlen, die mir bekannt sind, Schätzungen für weiter Länder kann ich jedoch auch nicht abgeben.

      Das Investment von OTTP kann man theoretisch als Aufhänger für den kanadischen Markt nehmen – grundsätzlich geht Zalando, gerne auch unter anderen Namen, erfahrungsgemäß aber lieber in wenig entwickelte Märkte (mit kaymu nach Nigeria, mit Kanui nach Brasilien etc.). Insofern würde ich Kanada nicht unbedingt als nächsten logischen Schritt sehen – ganz Nordamerika sind sie – sicherlich sehr bewusst – bislang noch nicht angegangen. Ich würde eher vermuten, dass sie sich im lateinamerikanischen, afrikanischen und asiatischen Markt stärker positionieren werden und dort auch ihre größten Potenziale sehen.

      Herzliche Grüße und viel Erfolg mit dem Studienprojekt
      Katja Flinzner

      Antworten

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