Wie geht es der digitalen Bildung in Deutschland?
Unsere Gesellschaft ist digital. Aber sind es auch unsere Schulen? Wie gut bereiten die Schulen in Deutschland unsere Kinder auf eine digitalisierte Welt vor? Und wie nutzt das Bildungssystem, nutzen Schulen, Lehrer und Lehrerinnen die Möglichkeiten der digitalen Medien, um Bildung zu verbessern, zu individualisieren und unser aller Lebenswelt anzupassen?
Wer wissen möchte, wie es in Deutschland um die digitale Bildung bestellt ist, tut gut daran, sich im November nach Köln zu begeben. Dort treffen sich nämlich seit inzwischen 5 Jahren beim Digital Education Day (DED) diejenigen, die sich Tag für Tag dafür einsetzen, dass deutsche Schülerinnen und Schüler eine „zeitgemäße“ Bildung bekommen.
Jede Menge engagierte Lehrerinnen und Lehrer
Die inzwischen 400 Teilnehmer des von der Stadt Köln organisierten „Bildungscamps“ kommen von Schulbuchverlagen, aus der Medienberatung, vertreten StartUps und Unternehmen oder studieren. Vor allem aber finden sich hier, und das macht doch Hoffnung, jede Menge Lehrerinnen und Lehrer. Denen zuzuhören, lohnt sich besonders, denn schließlich erleben sie jeden Tag aufs Neue ganz direkt, wie digital die Bildung in deutschen Klassenzimmern ist – oder auch nicht. Und sie sind im Zweifel auch diejenigen, die Konzepte für digitale Bildung mit viel persönlichem Einsatz vorantreiben.
Wie zum Beispiel Jürgen Drewes, Lehrer an einem Gymnasium in der Eifel und dort mehr oder weniger im Alleingang für die Digitalisierung des Klassenzimmers zuständig. In einer mitreißenden, inspirierenden Session hat er beim diesjährigen DED von seinen Erfahrungen nach eineinhalb Jahren Tablet-Klasse berichtet. Sein Bericht zeigt: Wenn Digitalisierung in der Schule gelingen soll, darf es nicht beim Anschaffen von Tablets bleiben. Unterrichtsformen, Lernmaterialien und Prüfungsformate müssen überdacht und angepasst werden, wenn die Vorteile der Digitalisierung wirklich ausgeschöpft werden sollen. Vermutlich ist die Notwendigkeit eines umfassenden Umdenkens auch einer der Gründe dafür, dass Digitalisierungsprojekten häufig von Kollegiumsseite deutlich mehr Gegenwind entgegenweht als von den Eltern – die sehen aufgrund ihrer eigenen Erlebnisse, welche Chancen eine Digitalisierung bietet und stehen zumindest bei Jürgen Drewes voll hinter dem Projekt.
Wenn Digitalisierung in der Schule gelingen soll, darf es nicht beim Anschaffen von Tablets bleiben. #ded17 #DigitaleBildung Klick um zu TweetenKonzepte in den Mittelpunkt stellen
Ähnlich wie Drewes betonen auch viele andere Speaker und Diskutanten des DED die Wichtigkeit von Konzepten und neuen Lern- und Lehrstrategien. Wie ein roter Faden zieht sich die Kritik an der „Toolifizierung“ der Digitalisierungsdiskussion durch zahlreiche Sessions des #ded17. Wenn es um Digitalisierung in der Schule geht, wird viel zu häufig zunächst über die Anschaffung von Tablets und deren Finanzierung und Wartung gesprochen, dann darüber, welche Tools, Apps oder Programme denn von den Schülerinnen und Schülern genutzt werden sollen. Erst ganz zum Schluss kommt – wenn überhaupt – die Frage nach einem inhaltlichen und methodischen Digitalisierungskonzept. Zumindest den Teilnehmenden des DED ist die Wichtigkeit von Konzepten und Visionen durchaus bewusst. So fragt zum Beispiel Alexander Herwix in seiner Barcamp-Session: „Was ist das Ziel/die Vision von Digitalisierung in der Schule?“ Und in einer großen Runde diskutiert Dejan Mihajlović die Frage „Digitalisierst du noch oder lernst du schon?“. Seiner Aufforderung, bei allen Planungen und Überlegungen immer zu fragen: „Welches Lernen begünstigt dein Unterricht?“, kommen die Session-Teilnehmer sicherlich gerne nach. Wenn sie denn können.
Weniger Toolifizierung, mehr Konzept. Digitalisierung an der Schule braucht Ziele und Visionen. #ded17 #DigitaleBildung Klick um zu TweetenDenn viele Diskussionen zeigen auch: Ehrgeizige Ziele und engagierte Pläne werden viel zu oft von der Realität gebremst. Einer Realität, in der ein Lehrer alleine für die gesamte technische Infrastruktur zuständig ist, und mit dem Aufsetzen und der Wartung von Netzen, Servern und Geräten komplett alleine gelassen wird. Einer Realität, in der Schulnetze zusammenbrechen, wenn sich der 21. Schüler mit seinem Gerät im Schul-WLAN anmeldet – wenn denn überhaupt ein Schul-WLAN vorhanden ist. Deshalb heißt eine Session auch folgerichtig „WIR-WOLLEN-WLAN#WWWLAN“. Und Lehrer erzählen von Guerilla-Aktionen, bei denen sie mit dem Unterricht dahin gehen, wo WLAN vorhanden ist.
Von Fremdsprachenlernen bis Urheberrecht
Angesichts der beinahe 50 verschiedenen Sessions des Digital Education Day 2017, die sich von den oben genannten kritischen Konzeptfragen und Erfahrungsberichten über konkrete Methodenvorschläge etwa für das Fremdsprachenlernen und Tipps zu Gamification und Virtualisierung des Unterrichts bis hin zu juristischen Fragen zu Datenschutz und Urheberrecht sowie einer kritischen Medienbetrachtung und der Prävention von Cyber-Mobbing erstrecken, wird wohl jeder sein ganz eigenes Fazit von dieser Veranstaltung mitnehmen. Für mich bleibt vor allem die Erkenntnis, dass an deutschen Schulen schon sehr viel Nachahmenswertes passiert, dass viele engagierte Akteure sich mit viel Herzblut einsetzen, um digitale Bildung in all ihren Facetten Wirklichkeit werden zu lassen – und dass wir viel mehr über die Erfolge solcher Pionierarbeiten reden müssen.
Mehr über die Vorteile und Erfolge von Digitalisierung an der Schule reden. #ded17 #DigitaleBildung Klick um zu TweetenDigitalisierung darf nicht zum Selbstzweck werden
Wenn von der Digitalisierung mehr übrig bleiben soll als ein leichterer Schulranzen, weil die analogen Schulbücher nun in digitaler Form auf dem Schul-Tablet vorliegen, müssen weiter Fragen gestellt, Erfahrungen ausgetauscht und Visionen diskutiert werden. Es braucht noch viel mehr Unterstützung von Seiten der Politik und Verwaltung, mehr Programme zur Finanzierung der Infrastruktur und vor allem auch mehr Vermittlung von Medienkompetenz und Digitalisierungsbewusstsein in der Lehrerausbildung. Wie einer der Teilnehmer in einer Diskussion so treffend formulierte: „Wenn die Gesellschaft sich digitalisiert, darf Schule kein mittelalterliches Reservat bleiben.“ Die Schule muss sich der Realität unserer Gesellschaft anpassen und sollte sich digitalen Medien öffnen, ohne diese zum Selbstzweck zu machen. Denn schließlich geht es letzten Endes nicht darum, wie digital unsere Schulen sind, sondern wie gut unsere Kinder darin lernen – und auf eine immer stärker digitalisierte Welt vorbereitet werden.
Digitalisierung kann viel mehr als nur leichtere Schulranzen. #ded17 #DigitaleBildung Klick um zu TweetenIn diesem Sinne: Bis zum nächsten Jahr. Mit hoffentlich vielen weiteren Erfolgsberichten, Inspirationen und Konzepten zum Nachahmen und Weitertragen.
KF/ciq
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