Digitale Regenbogenwelt? #digiform
„Wie hat die Digitale Reformation euer Arbeitsleben verändert?“ fragt die Zielbar in ihrem Aufruf zur Blogparade unter dem Hashtag #digiform. Hmmm.
Wie beantwortet man so eine Frage, wenn es das eigene Arbeitsleben ohne Digitale Reformation so gar nicht gäbe?
Ich hätte sicherlich ein anderes gefunden, da habe ich keine Sorge. Aber wie das aussehen würde? Vielleicht würde ich heute noch in der Uni-Bibliothek sitzen, geduldig meine Bücher per Fernleihe bestellen und so manche Stunde vor dem Microfiche-Gerät verbringen. Und danach die wichtigsten Erkenntnisse meines Seminars für die Studenten an der Tafel oder auf der Folie des Overheadprojektors festhalten.
Wer weiß es schon?
Mein Arbeitsleben ohne Digitale Reformation? Gäbe es nicht. #digiform Klick um zu TweetenStatt dessen sitze ich in meinem eigenen Büro, kommuniziere und arbeite mit Kunden und Netzwerkpartnern in der ganzen Welt, baue an digitalen Inhalten und Strukturen, mit denen meine Kunden sich ihren Kunden präsentieren können und schreibe über digitales Handeln, digitales Marketing, digitale Bildung und digitale Währungen.
„Wie kommuniziert ihr mit Kunden über das Netz?“
Dass mein Arbeitsalltag so ganz und gar digital ist, hat gerade für die Kommunikation jede Menge Vorteile. Das wird mir vor allem dann bewusst, wenn ich mir versuche auszumalen, wie ich meine Kunden ohne digitale Kommunikation erreichen würde. Da ich unter anderem ja im Internationalisierungsbereich zu den Sprachen Englisch, Französisch und Spanisch arbeite, finde ich meine Kunden häufig eben nicht um die Ecke, sondern irgendwo auf der Welt. Und dass ich mit ihnen in Sekundenschnelle Nachrichten und Dokumente austauschen kann, sogar wenn sie in Frankreich, Irland, Ecuador oder Australien sitzen, ist ein Vorteil, der durch nichts aufzuwiegen ist.
Meine Kundenkommunikation funktioniert zu schätzungsweise 95 % digital. Sei es per E-Mail, über meine Website und mein Blog, die diversen Social-Media-Kanäle oder digitale Netzwerke. Der Rest läuft über Telefon, persönliche Gespräche und ab und zu Workshops oder Vorträge.
Natürlich verändert diese geographische Grenzenlosigkeit auch das Verhältnis zum Kunden. Mit einem meiner Stammkunden habe ich fünf Jahre lang sehr intensiv zusammengearbeitet, bevor wir das erste Mal miteinander telefoniert haben. Und die meisten meiner Kunden habe ich bis heute noch nie gesehen – allerhöchstens mal auf einem Foto im LinkedIn-Profil.
Klingt ziemlich unpersönlich, oder?
Wie man’s nimmt. Wetten, ihr kennt mindestens ein Paar in eurem Umfeld, das sich online kennengelernt hat? Online-Kommunikation kann ziemlich persönlich sein. Kommt im Zweifel auf den Kommunikationspartner an. Meiner Erfahrung nach kann die in der digitalen Kommunikation dennoch nicht wegzuleugnende Distanz außerdem auch den Vorteil haben, dass sie die Kommunikation stark auf die Arbeit fokussiert. Sie ist aber natürlich auch der perfekte Nährboden für Missverständnisse und deshalb lange nicht für jeden Auftrag geeignet.
Online-Kommunikation kann ziemlich persönlich sein - trotz Distanz. Kommt auf den Kommunikationspartner an. #digiform Klick um zu TweetenGeht es beispielsweise darum, einen Kunden wirklich kennenzulernen, beispielsweise um eine auf ihn zugeschnittene Website zu bauen, ist ein persönliches Gespräch durch nichts zu ersetzen – auch nicht durch eine Skype-Konferenz oder einen Google Hangout. Möchte er dagegen die Produktbeschreibungen für seinen Online-Shop ins Deutsche übersetzt haben, braucht ein Korrektorat seiner Unternehmensbroschüre oder einen Artikel zu einem klar umrissenen Thema, funktioniert das in der Regel auch über die Entfernung.
Also alles eitel Sonnenschein in der digitalen Arbeitswelt?
Natürlich nicht. Manchmal macht mir die digitale Beschaffenheit meiner Arbeitswirklichkeit auch ziemliche Bauchschmerzen. Allerdings weniger in Bezug auf so allgegenwärtige Fragen wie die Dauer-Verfügbarkeit. Im Laufe von fast acht Jahren digitaler Freiberuflichkeit hat es nämlich tatsächlich ein Wort ziemlich weit hoch geschafft in meiner aktiven Sprachverwendungsstatistik:
Nein.
Dicht gefolgt von: Heute nicht mehr.
Am Wochenende etwa bleibt der berufliche Mailaccount meist ungecheckt. Und sowieso rufe ich E-Mails auf dem Smartphone immer nur manuell ab, Push-Benachrichtigungen etwa über Messenger gibt es schon privat genug. Was natürlich nicht bedeutet, dass ich nicht auch anfällig für Dauerbeschallung und Dauerablenkung bin – aber ich arbeite dran.
Größere Probleme habe ich mit der digitalen Welt, wenn sie aus meiner Sicht über die Stränge schlägt.
Wenn ich zum Beispiel über Strategien oder Technologien schreiben soll, die zum Ziel haben, wahllos immer mehr Daten zu sammeln. Wenn Digitalisierung zum Selbstzweck wird und niemand mehr über Konsequenzen nachdenkt. Wenn der Technologie-Fan und die Freiheits-Kämpferin in mir nicht mehr auf einen gemeinsamen Nenner kommen, weil Privatsphäre und Datenschutz auf dem Altar der Bequemlichkeit geopfert werden. Und wenn Unternehmen ihre Vormachtstellung ausnutzen und wir alle auch noch fleißig mitmachen.
Wenn Privatsphäre und Datenschutz auf dem Altar der Bequemlichkeit geopfert werden. #digiform Klick um zu Tweeten„Welche unternehmerischen Risiken birgt die digitale Reformation aus eurer Sicht?“
Womit wir bei dem aus meiner Sicht größten unternehmerischen Risiko der Digitalen Reformation wären: der Abhängigkeit von Technologien und Unternehmen. Denn wir stecken unglaublich viel Zeit und Geld in den Aufbau von Kanälen, über die wir keine Kontrolle haben.
Wir stecken viel Zeit und Geld in den Aufbau von Kanälen, über die wir keine Kontrolle haben. #digiform Klick um zu TweetenUnzähligen Online-Händlern würde ihre Geschäftsgrundlage entzogen, wenn eBay oder amazon plötzlich ihr Geschäftskonzept auf den Kopf stellen würden. Oder die Gebühren so massiv erhöhen, dass kein gewinnbringendes Arbeiten mehr möglich ist.
Wir investieren in den Aufbau von Twitter-Followern und Facebook-Fans und verlassen uns dabei darauf, dass dort auch alles so bleiben wird wie es ist.
Wir bauen komplexe Websites mit Content Management Systemen, von denen wir nur hoffen können, dass sie sich am Markt halten.
Wir geben Unsummen dafür aus, Google davon zu überzeugen, dass unsere Website es verdient hat, ganz oben dabei zu sein. Und fallen viel zu häufig schmerzhaft tief, wenn der Suchmaschinen-Quasi-Monopolist plötzlich seinen Algorithmus ändert und uns für etwas abstraft, was uns unsere SEO-Berater noch vor kurzem als den alternativlosen Weg zu Platz 1 angepriesen haben
Und schließlich packen wir unsere Daten in die Cloud – und nicht selten unsere gesamten Geschäftsprozesse mit dazu – und bezahlen andere Unternehmen dafür, darauf aufzupassen. Mehr Abhängigkeit geht kaum.
„Was nervt begeistert euch am meisten an der digitalen Arbeitswelt?“
Also doch alles Mist? Aber nicht doch. Würde ich mit diesem Absatz enden, hätte ich mir wohl den falschen Job ausgesucht, denn ständig über Dinge zu schreiben, die man eigentlich doof findet, klingt irgendwie nicht nach Traumjob. Deshalb habe ich in der obigen Leitfrage aus dem Blogparadenaufruf mal schnell ein Wort durch sein Gegenteil ersetzt.
Ja, ich betrachte die Digitalisierung durchaus kritisch und nehme sie nicht unbedingt als eine Regenbogenwelt voller Einhorn-Glitter und Feenstaub wahr. Aber gleichzeitig steckt sie voller so vieler spanennder Potenziale, und müsste ich auf sie verzichten, würde mir verdammt viel fehlen. Die Möglichkeit, jeden Tag fünf verschiedene Zeitungen aus vier verschiedenen Ländern durchzuschauen, zum Beispiel. Der schnelle Weg zu Informationen, neuem Wissen und den unterschiedlichsten Standpunkten zu kontroversen Themen. Ja, auch die Möglichkeit, fremdsprachige Bücher, schwarze Kleider und die besten Grüntees zu bestellen, ohne mich dafür in den Stau stellen zu müssen. Vor allem aber: Der Kontakt zu Menschen.
Die Digitale Welt ist keine Regenbogenwelt voller Glitzer-Einhörner und Feenstaub. #digiform Klick um zu Tweeten„Fühlst du dich denn gar nicht einsam?“
Das war wohl die häufigste Frage, die ich zu hören bekam, nachdem ich meinen Job als Projektmanagerin und Consultant gekündigt und mich selbstständig gemacht hatte. Am Anfang habe ich noch pflichtschuldigst drüber nachgedacht und schließlich mit den Schultern gezuckt.
Nein. Ganz im Gegenteil. Müsste ich das?
Noch nie habe ich so viele wertvolle und hilfreiche Menschen kennengelernt wie in den vergangenen Jahren. Manche davon sogar in Real Life. Die meisten aber in irgendeiner Form digital unterstützt. Und selbst da, wo der ursprüngliche Kontakt im persönlichen Gegenüber entstanden ist, sind die digitalen Kommunikationsmöglichkeiten das, was den Kontakt aufrecht erhält und ihn im Arbeitsalltag so wertvoll macht.
Ich habe als Freiberuflerin nämlich nicht weniger oder gar keine Kolleginnen und Kollegen, ich habe viel mehr als früher. Und das Tollste ist: Ich kann sie mir auch noch aussuchen. Ich kann genau mit denen zusammenarbeiten, mit denen ich mich blind verstehe, mit denen die Arbeit Spaß macht, mit denen ich lachen und mich freuen kann und die mir sogar ihre starke Schulter und vor allem jede Menge wertvolle Tipps zur Verfügung stellen, wenn mal was nicht so läuft wie es sollte.
Die Freiheit dazu, mir mein ganz persönliches, auf mich und meine Arbeit zugeschnittenes KollegInnennetzwerk zusammenzustellen, gibt mir die Freiberuflichkeit. Dass das Ganze auch noch funktioniert, dafür hat das Internet mit seinen flexiblen Kommunikationsmöglichkeiten gesorgt. Mit Hilfe von Netzwerken, Sozialen Medien und Echtzeit-Kommunikation über tausende von Kilometern hinweg.
Für mich ist das mit Abstand der größte Gewinn der Digitalen Reformation. Und ich kann jedem Neueinsteiger in das digitale Arbeiten nur empfehlen, sich bei aller Technologie vor allem auf die Menschen zu konzentrieren. Ohne die macht die digitale Welt nämlich nur halb so viel Spaß. My 2 cents.
Der größte Gewinn der Digitalen Reformation? Der Kontakt mit Menschen. #digiform Klick um zu TweetenKF/ciq
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