Markt-Eroberer aus Belgien: Zwei Sprachen für 10 Länder

Bei den BeCommerce Awards, der wohl wichtigsten belgischen eCommerce-Auszeichnung, ist eine Online-Apotheke mit dem Cross Border Award als bester grenzüberschreitender Shop prämiert worden. Newpharma.be wurde für seine intensiven Cross Border-Bestrebungen ausgezeichnet. Interessant, dachten wir uns, und haben uns den Shop einmal aus der Nähe angeschaut.

newpharma.be

newpharma.be Einstiegsseite: Niederländisch links, Französisch rechts.

Der erste Blick auf newpharma.be macht einen arg pragmatischen und minimalistischen Eindruck: Man landet nämlich zunächst auf einem SplitScreen, in dem zwischen der niederländischen und der französischen Version gewählt werden kann. Zweisprachig, ok, aber so richtig international ist das nicht, denn schließlich spricht man diese beiden Sprachen ohnehin in Belgien, so dass ein belgischer Online-Shop, der alleine innerhalb Belgiens landesweit verkaufen möchte, in der Regel sowieso mindestens zweisprachig arbeiten muss.

newpharma.be: Länder- und Sprachauswahl

newpharma.be: 2 Sprachen für 10 Länder

Nun gut, wir wählen also erstmal Französisch aus und kommen so auf die eigentliche Shop-Startseite. In der oberen rechten Ecke leuchtet uns sofort die deutsche Flagge entgegen, mit der Länderbezeichnung „Allemagne“ daneben. Ok, wir sind also doch in der deutschen Version gelandet … oder? Denn die Sprache passt nicht wirklich dazu: alles ist weiterhin Französisch. Und so stellen wir recht schnell fest: verschiedene Länder berücksichtigt newpharma.be zwar schon, deren Sprachen allerdings nicht. Denn die Sprachauswahl beschränkt sich auch hier auf NL und FR – egal ob im Länder-Pulldown Frankreich, Deutschland, Spanien, Italien oder Dänemark ausgewählt wird.

Worin also besteht die grenzüberschreitende Ausrichtung, für die der Shop immerhin mit dem renommiertesten belgischen eCommerce-Award ausgezeichnet wurde?

newpharma.be: Versandinformationen Frankreich

Lokalisierte Logistik für Frankreich

Wer einen Blick auf die Lieferinformationen im unteren Teil der rechten Spalte wirft, bemerkt recht schnell, dass hier durchaus länderspezifisch diversifiziert wird: die Lieferfristen sowie Versandfrei-Grenzen werden je nach Länderauswahl angepasst. Auch die Versandoptionen scheinen zumindest streckenweise unterschiedlich je nach Land – zumindest wird für Frankreich La Poste/Colissimo sowie für Frankreich, Belgien und Luxemburg die Lieferung an eine Abholstation von Mondial Relay angeboten – alle anderen Länder werden allerdings einheitlich mit DPD beliefert.

Lokalisiert wird noch am stärksten im Bereich der Zahlungsoptionen. Mit Hilfe des auf internationale Bedürfnisse zugeschnittenen Payment-Dienstleisters Ogone werden für die einzelnen Länder vertraute Zahlungsweisen angeboten: für die Niederlande etwa iDeal, für Frankreich CarteBleue und Cheque Bancaire, für Belgien selbst u.a. Bancontact MisterCash.

 

Zahlungsweisen für Belgien

Zahlungsweisen für Belgien: ING Homepay, KBC, Bancontact MisterCash und Belfius

Zahlungsweisen für Frankreich

Zahlungsweisen für Frankreich: Carte Bleue, Cheque Bancaire

 

Aber reicht das für eine erfolgreiche Internationalisierung?
Der Weg von newpharma.de ist deshalb besonders interessant, weil er den sonst praktizierten Internationalisierungsmethoden quasi diametral entgegenläuft. In den meisten Fällen werden zum Zwecke der Internationalisierung erst einmal fleißig Texte übersetzt – alles andere, wie etwa eine Lokalisierung von Zahlungsmethoden und Logistikpartnern – kommt später. Die belgische Online-Apotheke hat es genau anders herum gemacht und ist dafür mit dem Preis für den besten Cross Border Online-Shop ausgezeichnet worden. Ein wenig nachdenklich stimmt das schon, vor allem angesichts der Frage, ob es tatsächlich keine noch stärker auf die Zielländer ausgerichteten Alternativbewerber gab…

Werfen wir abschließend doch noch einen Blick in die Bedingungen für den Wettbewerb um den Cross Border Award. Die Bewerber müssen laut Jury:

  • in mindestens zwei weiteren europäischen Ländern verkaufen.
  • in der jeweiligen Sprache des Landes zur Verfügung stehen, in das sie verkaufen.
  • in Europa ansässig sein.
  • eine Strategie zur Eroberung verschiedener europäischer Märkte vorweisen können.

Französisch ist nicht gleich Französisch
Zumindest über Punkt 2 kann man sich beim diesjährigen Gewinner also tatsächlich streiten. Denn auch wenn man zahlenmäßig zugebenermaßen mehr als zwei weitere europäischen Länder mit entsprechender Sprache zusammenbekommt (Französisch für Frankreich, Luxemburg und Monaco; Niederländisch für die Niederlande): alle anderen Länder gehen sprachentechnisch leer aus. Und auch die sprachverwandten Nachbarn werden doch hier oder da irritiert die Augenbrauen zusammenziehen, wenn sie z.B. in den Versandinfos über belgische Regionalismen wie endéans stolpern. Eine sprachliche Anpassung an die einzelnen Zielmärkte wäre hier sicherlich auch innerhalb der französischsprachigen Länder durchaus angebracht.

Übrigens: Den beCommerce-Award für den besten belgischen Online-Shop hat dieses Jahr Zalando abgeräumt. Was auch immer man von dem Mode-Riesen halten mag: in Sachen Internationalisierung kann man sich von Zalando durchaus einiges abgucken. Das zeigt nicht nur die Auszeichnung als bester Cross Border-Webshop beim e-Commerce Summit 2012 in Barcelona. Dorthin darf Zalando nach der diesjährigen Auszeichnung nun übrigens als Vertreter des belgischen eCommerce reisen…

KF / msh  | Quellen: newpharma.be | beCommerce Awards

Dr. Katja Flinzner
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